FIAT500

Alumnae von mentoringKUNST
7.9.–27.10.2024

HINWEIS: Vom 27.9.–30.9.2024 bleibt die Galerie geschlossen!

Mit den Künstlerinnen Juliane Borths, Karla Kurz, Christine Lengtat, Anna Rose, Laura Schöning, Annemarie Selleng, Isabella Trybula, Kairi Uibo-Müggenburg und den Autorinnen Sarah Winkelhöfer, Anne Zandt und Maria Zendeh

Für diese Ausstellung ist die Galerie Circus Eins Gastgeberin für Alumnae des 5. Durchgangs des Programmes mentoringKUNST des Berufsverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler Mecklenburg-Vorpommern e.V. Zu FIAT500 werden acht Künstlerinnen und drei Autorinnen vorgestellt, die das anspruchsvolle Mentoringprogramm erfolgreich durchlaufen haben. Aufbauend auf diesem Programm haben die Künstlerinnen Werke für die Beteiligung an der Ausstellung ausgewählt, die beispielhaft über ihre künstlerische Praxis Auskunft geben. Sie haben außerdem das Konzept zu einem kleinen Katalog entwickelt, der zusammengefasst in einem Schuber, zur Ausstellung erscheinen wird. Dabei wurden sie von Susanne Burmester als Projektleiterin begleitet. 

Der Titel der Ausstellung spielt mit einem Augenzwinkern auf die aktuelle Situation der Künstlerinnen und Autorinnen an. Im lateinischen bedeutet „fiat“ es werde oder möge in Erscheinung treten, doch natürlich ist FIAT500 auch der Name eines sehr kleinen PKWs. Damit entwirft der Titel die Vision, dass die Zunft der Künstlerinnen und Autorinnen in Mecklenburg-Vorpommern sich stark vermehren möge, doch weist auch daraufhin hin, dass zu den Mühen der Ebene im Flächenland weite Wege zurückzulegen sind und die Kunst anfangs vielleicht in kleinen Autos transportiert werden muss.

Themen und Medien der künstlerischen Praxis der beteiligten Künstlerinnen und Autorinnen sind vielfältig. Ihre Ausrichtung ist divers und das Zusammentreffen in der Schau FIAT500 eher zufällig. Gezeigt wird Malerei, Zeichnung und Installation, doch auch Skulptur und Objekt. Figurative Malerei ist ebenso zu sehen, wie die konzeptuelle Auseinandersetzung mit Landschaft und Natur und surreal-groteske Alltagsszenen. Gesellschaftspolitische Themen fächern sich zwischen feministischer Selbstbefragung und politischer Geschichte auf. Die drei Autorinnen bewegen sich im Bereich von Märchen und fantastischen Geschichten und werden u.a. durch Manuskriptseiten, Textauszüge und Videolesungen in der Ausstellung präsent sein.  

Die Ausstellung gibt einen Einblick in die Arbeit von Künstlerinnen und Autorinnen in Mecklenburg-Vorpommern, die unterschiedliche Wege gehen, um ihre berufliche Karriere zu gestalten. Ergänzt wird die Schau durch eine Lesung der Autorinnen mit moderiertem Gespräch.


Auch die Autorinnen sind in der Ausstelung präsent. Von Anne Zandt werden Mauskriptseiten zu ihrem Roman Das Jahr des Modes gezeigt. Kurz nachdem sie die durch überarbeiteten Fassungen in den Computer übertragen hatte, fiel ihr Wasserglas um und machte aus den Textseiten Bilder eines Zustandes.

Von Maria Zendeh ist eine kurze Erzählung im Rahmen der Ausstellung zu lesen.

Die Spielfrau

Es war einmal eine Spielfrau, die einsam durch die Welt zog,

Von Dorf zu Dorf,

Von Stadt zu Stadt,

Und von Land zu Land.

Eines Tages kam sie an einer Höhle vorbei, in der ein alter Mann lebte.

Dieser sprach:

„Spielfrau, erzähl mir von der Welt.“

Und die Spielfrau sang für ihn.

Da sprach der Alte:

„Bleib bei mir und leiste mir Gesellschaft. In der Höhle bist du vom Wind und Regen geschützt.“

Doch die Spielfrau lehnte ab.

„Mein Dach ist der Himmel und mein Weg ist noch weit.“

So ging die Reise weiter.

Da kam sie an einen Bauernhof und die Bewohner begrüßten sie freudig.

„Spielfrau, erzähl uns von der Welt.“

Und die Spielfrau sang für sie.

Darauf sagten sie:

„Bleib bei uns und sing noch mehr. Das Haus ist groß genug und wir wollen dich in unsere Familie aufnehmen.“

Doch die Spielfrau lehnte ab.

„Die ganze Welt ist meine Familie. Wie viele andere Menschen habe ich noch zu treffen?“

So ging die Reise weiter.

Da kam sie an ein Schloss und der König sprach:

„Spielfrau, erzähl uns von der Welt.“

Und die Spielfrau sang für ihn.

„Bleib bei uns. Ich will dich reich bezahlen, wenn du im Schloss lebst und jeden Tag singst.“

Doch die Spielfrau lehnte ab.

„Die ganze Welt wartet auf mich. Einen größeren Schatz gibt es nicht.“

So ging die Reise weiter.

Da traf sie ein kleines Mädchen, welches Vater und Mutter verloren hatte. Die Spielfrau setzte sich neben sie rund sagte:

„Lass mich dir von der Welt erzählen.“

So spielte sie.

Und das Mädchen hörte zu.

„Spielfrau, nimm mich mit. Ich will wie du die ganze Welt sehen.“

Seitdem reisten sie gemeinsam

von Dorf zu Dorf,

von Stadt zu Stadt

und von Land zu Land,

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann singen sie noch heute.

Die Autorin Sarah Winkelhöfer hat zu dem Bild Die Schwestern von Annemarie Selleng ein kurzes Prosastück verfasst mit dem sie den erzählerischen Ansatz der Künstlerin fortführt.

Lass die Frösche im Glas – von Sarah Winkelhöfer

„Siehst du, was der Gert schon wieder macht? Das Auto von außen abstaubsaugen – wie soll aus dem Jungen nur mal was werden …“ Hannelore sah über die Schulter zu Ella. „Bei dir kann man wirklich gut gucken.“

„Jetzt lass doch Hanne“, Ella zupfte die Spitzengardine wieder an ihren Platz und dirigierte die Freundin zum Wohnzimmertisch.

„Was macht dein Mark? Hast du eigentlich schon das mit der Krissi gehört?“

Ella reichte Hanne eine Sammeltasse mit frischaufgebrühtem Tee, bevor sie einen Moment ihre gepunktete Tasse betrachtete. Venedig, ein kleiner Flohmarkt vor vierzig Jahren.

„Was sagtest du?“ Hannes Tasse aus Dresden, ein Antiquariat vor fünfzig Jahren.

„Sag mal, hörst du nicht zu? Ich sagte, die Krissi ist wahrscheinlich von …“ Irritiert hielt Hannelore inne. „Na nu? Was wollte ich sagen?“

Ella ließ die Tasse wieder sinken. „Du wolltest etwas über Kristina erzählen?“

„Welche Kristina?“ Hanne blinzelte durch den Teedampf zu Ella. „Der schmeckt wirklich gut. Mal eine andere Sorte, hm?“

„Der Tee“, stöhnte Ella und sprang auf, während Hannelore ihre Tasse auf den Tisch stellte. „Warum bist du denn plötzlich so aufgeregt? Jetzt warte doch!“

In der Küche angekommen fischte Ella mit spitzen Fingern den Teebeutel aus dem Bioeimer, schnupperte an ihm und verzog das Gesicht. Das konnte doch nicht wahr sein! Sicherheitshalber prüfte Ella die Teedosen: Zwei identische Gefäße, eines mit Zimtnote, das andere mit Fruchtaroma – beide waren mit einem bunten Band umwickelt: Das eine rot-weiß, das andere orange-creme.

„Vergessens-Tee?“, las Hanne irritiert das Etikett.

„Ich hatte keine Brille auf. So ein Mist! Wo ist nur das Buch mit dem Gegenmittel?“

„Du und deine Zaubermätzchen … Irgendetwas war mit deinen Büchern …“

„Ah“, stöhnte Ella auf. „Du hast recht, die habe ich dem Nachbarssohn geschenkt.“ Sie fuhr sich durch das pinke Haar, sodass es noch schriller abstand als üblich. Hektisch wühlte sie durch die Döschen mit Pergamentfetzen, den Spinnweben und dem Gefäß mit gemahlenen Wallnussschalen. „Mit Froschbeinen müsste es gehen.“

„Lass die Frösche im Glas!“, protestierte Hanne sofort. „Die Flohaugen will ich auch nicht sehen!“

„Du könntest auch einen Froschprinzen küssen, wenn ich mich richtig erinnere. Aber den jetzt finden…“

„Was hast du hier eingelegt?“ Hanne hob ein Glas, in dem etwas Glitschiges im braunen Wasser trieb. „Sag es besser nicht.“ Sie stellte das Glas ab.

„Ich hab’s!“ Ella riss das Tütchen auf und schüttete Glitzerpulver über Hannelores graues Haar.

„Was machst du denn? Das kriege ich doch nie mehr rausgewaschen!“

„Und? Erinnerst du dich wieder an Krissi?“

„Du hast einfach nur Glitzerpulver über mich gekippt, was erwartest du denn? Der Pullover ist auch dahin!“

„Ach was, Glitzer steht dir ausgezeichnet.“ Ella biss sich auf die Lippe. „Dann müssen es die Froschbeine sein, mir fällt wirklich nichts mehr ein.“

„Hast du dir das Zeug mal angesehen? Keine Froschbeine!“ Hannelore schüttelte sich. „Was hat es mit dem roten Band dort an dem Tee auf sich?“

„Ein Glückstalisman für langes Leben, glaube ich. Habe ich passend zum Tee ge-“ Ella klatschte begeistert in die Hände. „Das ist es! Das Gegenmittel!“

„Ich werde es nicht essen, wir bauen keine Voodoo-Puppe damit und ganz sicher werde ich es mir nicht in die Haare wickeln.“

„Du wieder.“ Ella rollte mit den Augen, bevor sie Hannes verschränkten Arme löste und ihr das Armband anlegte. „Jetzt möchte ich alles über Krissi hören, was es Neues gibt.“

„Du wirst nie erraten, was mir die Hilde vom Manfred über die Krissi erzählt hat! Pass auf …“

Das Projekt baut auf dem Programm mentoringKUNST auf, das die Förderung und Professionalisierung von bildenden Künstlerinnen und Autorinnen aus Mecklenburg-Vorpommern verfolgt und vom Ministerium für Justiz, Gleichstellung und Verbraucherschutz M-V aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert wird.

Träger von Ausstellung und Schuber ist das Kulturwerk des Berufsverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler Mecklenburg-Vorpommern e.V., das vom Ministerium für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes Mecklenburg-Vorpommern gefördert wird. Ausstellung und Katalog wurden gefördert vom Fonds für Vorpommern und das östliche Mecklenburg, der Sparkasse Vorpommern und der Stiftung für Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement in Mecklenburg-Vorpommern e.V.

Lesung & Gespräch am 5. Oktober 2024 werden vom LiteraturRat MV im Rahmen von KUNST HEUTE – zeitgenössische Kunst erleben in MV gefördert.