Auf dem Circus
Florian Ecker, SCHAUM, Ulrike Mundt, Paul Schwer, Lisa Steude, Rikuo Ueda, Markus Willeke
17.6.–27.8.2023
Mit einem dreiteiligen Ausstellungsprojekt unter dem Titel LEERE / FÜLLE nimmt die Galerie Circus Eins in diesem Jahr die Natur und ihre Gefährdung durch den Menschen in den Blick. Dazu wird zum Abschluss der Reihe der Rondellplatz Circus in Putbus zu einem Ausstellungsort für sieben Künstlerinnen und Künstler. Ihre Werke besetzen die leeren Grünfelder zwischen den Wegen und beziehen sich auf je unterschiedliche Weise auf das Thema und den Ort.
Putbus wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchgängig im Stil des Klassizismus errichtet. Wie die gesamte Anlage der fürstlichen Residenz, ist auch der Putbuser Circus eine künstliche Erfindung. Sie folgt der Idealvorstellung eines Fürsten – und nicht dem Bedarf der Menschen und ihres Alltags. Seit seiner Entstehung vor fast 200 Jahren hat er keine Sogkraft für das Gemeinwohl entfalten können und trennt die Bewohner:innen der umliegenden Bauten eher voneinander, als dass er zur Begegnung einlädt. Der meist unbelebte Platz wirkt museal. Er ist ein repräsentatives Schaustück, dass nun zum Ausstellungsort wird.
Fürst Wilhelm Malte I. zu Putbus ließ den Platz ab 1828 anlegen und in den folgenden Jahrzehnten mit klassizistischen Häusern umbauen. Vorbilder waren der „Circus“ im englischen Badeort Bath, französische Gestaltungideen und ähnliche Anlagen in Deutschland. Zu Beginn verliefen zwanglose Spazierwege über einen Rasenplatz, nach 1843 entstand die heutige Anlage mit acht sternförmig verlaufenden Wegen zwischen keilförmigen Rasenflächen. Der 21 Meter hohe Obelisk wurde 1845 errichtet. Statt einer pyramidenartigen Spitze, bildet seit 1849 eine Fürstenkrone seinen Abschluss. Mit der friedlichen Revolution 1990 erhielt der „Thälmannplatz“, wie er zu DDR-Zeiten hieß, wieder seinen ursprünglichen Namen.
Die Steinformen Florian Eckers (*1977) aus Taufkirchen stehen stellvertretend für räumliche Skulpturen, aus denen sie einen Querschnitt darstellen. Leicht pigmentiert und von Hand poliert, vervollkommnen sie ihre Gestalt in der Spiegelung des Himmels und der Umgebung. Der verwendete schwarze Stein „Mikrogabbro“ stammt aus Schweden, von wo er mit den Gletschern der Eiszeit auch auf die Insel Rügen gelangt ist. Die Installation greift die Form des Pyramidions auf, das einst den Obelisken krönte und in der Antike eine Verbindung zwischen Erde und Sonne herstellen sollte.
Der Zeitungskiosk der Gruppe SCHAUM aus Rostock bleibt verschlossen. Während die klassischen Vorbilder zentrale Orte der Lieferung von Informationen waren, macht dieser eine Versprechung, die er nicht hält. Er liefert keine Antworten und spiegelt die Sehnsucht nach Gewissheit an die Betrachter:innen zurück. Folgen sie dem durch ein Solarmodul beleuchteten Schild, werden sie aufgefordert, ihre eigenen Antworten zu finden und diese auf der weiß gekalkten Fassade als Graffiti zu hinterlassen. So kann die Vielzahl der Meinungen als Grundlage der Demokratie, die einfachen Antworten ersetzen.
Ulrike Mundt (*1976) aus Dresden reagiert mit ihrer mehrteiligen, zweifarbigen Holskulptur auf die Anlage des Rondellplatzes, deren Gebäude sich im Kreis versammeln und sich doch, wie Kulissenbauten eher fremd gegenüberstehen. Der strengen Zentralität des Platzes setzt sie die Möglichkeit entgegen, spielerisch zu erkunden in welcher Form ein Miteinander stattfinden könnte. Weil die Bänke der Skulptur aus lackiertem Holz in ihrer Anordnung variabel sind, schafft sie die Grundlage für zwischenmenschlich gestaltete Kommunikation. Damit öffnet sie die Spielregeln und erlaubt vielfältige Begegnungsformen in unterschiedlichen Konstellationen.
Paul Schwer (*1951) aus Düsseldorf zeigt eine stilisierte Form der Röhre, die im Projekt Nordstream 2 für die Gaslieferungen durch die Ostsee genutzt werden sollte. Die begehbare Skulptur greift die achteckige Anlage des Platzes auf, transformiert das Sonnenlicht durch Farbflächen aus Acrylglas und farbige Lochbleche und wird außerdem zum Rankgerüst für die Stangenbohne „Blaue Hilde“. Der Künstler reagiert damit auf das Projekt, das infolge des russischen Angriffskriegs gestoppt wurde und schafft ein vielschichtiges Bild für die komplexe Situation, in das die Betrachter:innen involviert werden.
Die Rügener Künstlerin Lisa Marie Steude (*1990) greift mit ihrer mehrteiligen interaktiven Klangskulptur die architektonische Anlage des Platzes mit Rondell und Obelisken auf. Ein verborgenes Theremin reagiert auf Besucher:innen. Indem diese sich nähern, verstärken sie einen Grundton und geben diesen über einen Lautsprecher an die Umgebung zurück. Auf diese Weise verbindet die Installation den Himmel, den Ort und die anwesenden Körper in einer gemeinsamen Erfahrung. Damit entwirft die Künstlerin auch eine Vision der klangvollen Belebtheit, die sich hinter den Fassaden der Häuser am museal wirkenden Rondellplatz verbergen mag. (Täglich 11–17 Uhr)
Im Zentrum der Arbeiten des japanischen Künstlers Rikuo Ueda (*1950) steht die elementare Kraft des Windes, genauer: die Übertragung der Bewegungen des Windes ins Grafische. Der Wind verfängt sich in der vom Künstler konstruierten beweglichen Apparatur, welche im Verlauf der Ausstellung die Botschaften des Windes zu Papier bringt. Mit seinen pragmatisch konzipierten und bewusst einfach gebauten Gehäusen begegnet der international namhafte Künstler der Natur in Demut. Er gibt der unsichtbaren Schönheit des Windes Raum und schafft an jedem Ort, an dem er weltweit auftritt, einzigartige Notate seiner Bewegungen.
Der Berliner Maler Markus Willeke (*1971) zeigt eines seiner Billboards, die er mit wechselnden Inhalten an viele Orten in Deutschland in den öffentlichen Raum einspeist. Plakatdrucke seiner Aquarelle erinnern daran, dass wir Tiere heute nur noch als Angstvision, leblose Erscheinung oder Erinnerungsbild kennen. Sie kommen als vermeintliche „Bestien“ in die Zeitung oder tauchen als Kadaver auf, die im Straßenverkehr getötet wurden. Auf öffentlich geklebten Suchbildern erscheint das Foto der geliebten Hauskatze, die vermutlich schon längst überfahren worden ist. Diese öffentlichen Bilder wilder und gezähmter Tiere sind zum Teil unserer Naturwahrnehmung geworden.
Flyer zum Projekt erhalten Sie am eingang zur Galerie Circus Eins, zu den Öffnungszeiten können Sie uns auch direkt befragen. Hier können sie den Flyer herunterladen: FLYER
Wir danken der Stadt Putbus für die Gastfreundschaft. Die Künstler:innen bedanken sich außerdem bei Stine Albrecht, Felix Amsel, Susanne Blume, Broder Burow, Ole Fuhrich, Ernst Lechner, Danco Lewin, Ruth Meyer, rügendruck GmbH Putbus, Atelier ruthrosa, Mikiko Sato, dem Tischlereifachbetrieb Holzbau Martin Spellauge/Dresden, Frank Steude, Gaby Taplik, Sascha Tonn und Ruzica Zajec.
Die Ausstellung wird durch Stiftung Kunstfonds/NEUSTART KULTUR und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) gefördert.